Meine Hawaiiqualifizierung (Bericht von Rolf)

Nach nun einer Woche nach dem Wettkampf sind die Schmerzen schon so gut wie vergessen und diese Zusammenfassung soll die Erinnerungen kurz wiedergeben. Vielleicht hilft es ja dem einen oder anderen, sich auch einmal für eine Langdistanz zu entscheiden.

Die Vorbereitung

Die eigentliche Vorbereitungsphase fing mit der Anmeldung vor ca. 6 Monaten an. Lange Lauf-, Rad- und Schwimmeinheiten standen nun schwerpunktmäßig auf dem Programm. Da Lanzarote berühmt für starke Winde, anspruchsvolle Radstrecken und anstrengende Laufstrecken ist, durften die Koppelläufe nach den Trainingsradausfahrten nicht fehlen.

Den letzten Feinschliff holte ich mir in unserem Trainingslager auf Mallorca, ca. 6 Wochen vor dem Wettkampf. Ohne Ziele geht gar nichts. Nach Analyse der zu erwartenden Leistungen der Teilnehmer in meiner AK musste ich auf alle Fälle deutlich unter 12 Stunden das Ziel erreichen, um eine Chance für die Hawaiiqualifizierung zu bekommen. Einige Konkurrenten sind gute Schwimmer, akzeptable Radler, aber meist schlechte Läufer. Also wollte ich den Schwerpunkt auf den Laufsplit legen und auf der Radstrecke bewusst den Druck rausnehmen. Als nächstes Stand die Planung der Wattleistungen auf dem Rad und die Tempointervalle auf der Laufstrecke und die Wettkampfverpflegung an. Erfahrungen haben wir in den letzten Monaten sammeln können.

Die ersten Tage

2 Wochen vorher trafen wir (Helga, Xaver und ich, später kamen noch Stefan und Jutta dazu) auf Lanzarote ein und nutzten die erste Woche, um alle Strecken abzufahren, die Laufstrecke kennen zu lernen und mit dem Wind richtig umzugehen. Jeden Morgen stand auch das Schwimmen im Meer auf dem Programm, zum Glück nur im Neo, da das Wasser ca. 19 Grad warm ist. Das Besondere an Lanzarote: Ziemlich brutale Bedingungen herrschen auf dieser Insel — es weht immer kräftiger Wind, an den ersten Tagen gab es Windgeschwindigkeiten zwischen 50 bis 60 kmh und nirgendwo flache Strecken. Hochprofilfelgen am Rad waren dann lebensgefährlich.

Frühmorgens an der Schwimmstrecke herrschte immer viel Betrieb, und auf dem Radkurs begegneten uns immer mehr Athleten. So ganz langsam ergriffen die Triathleten Besitz von dem kleinen Küstenstädtchen Puerto del Carmen. Man sah die Wechselzone entstehen und wir wurden immer wieder angesprochen, ob wir auch den Ironman machen wollen. In der Wettkampfwoche stand noch Carboloading auf dem Plan, d.h. mehrere Tage ohne Kohlenhydrate (keine Nudeln, kein Brot, kein Reis, keine Kartoffeln usw.) sich ernähren und die letzten Tage sich quasi damit "voll stopfen". Der Körper speichert dann 3-4 mal so viele Kohlenhydrate ab wie bei normaler Ernährung, und davon brauchen wir spätestens auf der Laufstrecke sehr viel. Die Trainingsaktivitäten wurden zurückgeschraubt, Erholung und Kräfte sammeln waren die Ziele.

Am Donnerstag besuchten wir den Club La Santa, wo es die Startunterlagen gab und die Wettkampfbesprechung stattfand. Am Freitag schließlich noch einmal eine letzte kurze Radeinheit, 1-2 km Joggen und schließlich am Nachmittag dann der Bike-Checkin.

Ironman Start

Wie eigentlich immer bei meinen Langdistanzen klingelte gegen 4 Uhr der Wecker, immerhin 6 Stunden hatte ich schlafen können. Ein Teller Nudeln mit Tomatensoße und noch eine Semmel füllten den Magen. Gegen 6 Uhr ging’s dann zum Strand. Es war noch dunkel, aber allmählich kam Leben in den Bereich der Wechselzone. Wie die anderen auch, verteilte ich die Flaschen auf das Fahrrad, pumpte die Reifen auf, vervollständigte die Wechselbeutel, zog schließlich den Neo an und verstaute alle Kleidung vom Morgen etc. in den dafür vorgesehenen Beutel. Dann schwamm ich mich kurz ein und reihte mich in die Startaufstellung ein. Für die verschiedenen Schwimmzeiten waren Schilder am Start, sodass man sich in die Gruppe mit den etwa gleich starken Schwimmern stellen konnte, das sollte beim Massenstart ein bisschen die Prügeleien reduzieren. Schließlich fiel der Startschuss, und vielleicht 60 Sekunden danach erreichten die 75-Minuten-Schwimmer das Ufer und schwammen los. Die erste Wende war nicht weit und bereits hier war ein ziemliches Gedränge. Körperkontakt war unvermeidlich, ständig von links und rechts Leute und auch von hinten jede Menge Schwimmer, die nachkamen. So mitten in der "Waschmaschine" war ich noch bei keinem meiner Rennen. Ausweichen nach rechts war aber nicht nicht möglich, ebenso wenig ein bisschen durchatmen (da wäre ich ja sofort von hinten überschwommen worden), also tapfer durchhalten! Den einen oder anderen Handschlag musste ich einstecken. Als mir die Brille runter geschlagen wurde, wurde es mir zu bunt, aber meine Proteste verloren sich in den Wellen. Nach einiger Zeit (die Gerade ist ca. 800 Meter lang) hatte sich das Getümmel ein bisschen beruhigt, aber spätestens an der nächsten Wendeboje ging das Spiel wieder los. Auf der langen Gegengerade gab es nur gelegentliche Attacken. Noch ein kurzer Landgang und die 2.te Runde stand an, begleitet von Handschlägen und sonstigen Folgeerscheinungen bei Massenstarts.

Wechselzone

Nach 100 m durch den Sand ging es endlich ins Wechselzelt. Ich schnappte mir meinen Wechselbeutel und suchte mir ein Plätzchen zum Umziehen. Vom Wechselzelt bis zum Rad waren es noch einmal ein paar hundert Meter.

Radstrecke

Endlich auf dem Rad. Noch lange gingen mir die Szenen vom Schwimmen durch den Kopf.

Nach 20 km hatte ich schon einige hundert Athleten überholt. Was mich nun erwarten sollte, kannte ich zum Glück aus der vergangenen Trainingswoche. Ich wusste, dass der schwerste Teil des Ironman vor mir lag, 2550 Höhenmeter auf 180 Kilometer verteilt, garniert mit kräftigem Wind. Lanzarote kennt keine flachen Straßen, und durch die Lage in der Passatzone weht der Wind heute wieder mit böigen 40 km/h, meistens aus nördlichen Richtungen, also genau daher, wo ich hin musste. Dazu waren Sonne und bis zu 28 Grad in Puerto del Carmen, der Laufstrecke, angesagt. Zunächst war es aber erstaunlich wolkig, und wir kletterten erstmal aus Puerto del Carmen heraus, bevor wir einige Kilometer mit dem Wind bergab fahren durften, gefolgt von einem kleinen, aber durch den Wind fiesen Stich von Puerto Calero hoch, folgten einige Kilometer auf welliger Straße und eine längere Rückenwindpassage, leicht bergab. Das machte endlich mal wieder Spaß! Im größten Gang konnte ich hier mit bis zu 65 km/h entlang fliegen (diese Passagen sind leider die Ausnahme). Die Party war schneller vorbei, als mir lieb war. Irgendwann bog die Strecke nach Norden ab, und ab da war der Wind der Gegner. Die Strecke führt entlang der Feuerberge (Timanfaya-Nationalpark). Man sieht immer nur die nächste Welle im Gelände. Dafür ist die Landschaft spektakulär, die schwarze Lavawüste mit den Vulkankegeln beeindruckt mich jedes Mal aufs Neue. Dann ging es all die erkletterten Kilometer allmählich wieder bergab, mit weiter kräftigem Wind von vorn und manchmal von der Seite. Beim Club La Santa erreichten wir wieder Meeresniveau. Von da an ging es wieder mal leicht bergauf, ein wenig Rückenwind half ein bisschen. Die nächste Station war Famara (wieder Meereshöhe), wo manchmal der Sand über die Straße weht, dann für längere Zeit nur noch bergauf. Zunächst mit Rückenwind, aber ab dem nächsten Kreisel vor Teguise ließ der kräftige Gegenwind die Tachoanzeige zurückgehen. Irgendwann war der höchste Punkt auf ca. 600 Meter über Meeresspiegel erreicht. Es folgte eine rasante, nicht gerade ungefährliche Abfahrt mit mehreren Spitzkehren und Wind von allen Seiten. In Haria konnte man dann quasi direkt vom größten in den kleinsten Gang wechseln, weil die Strecke augenblicklich wieder anstieg, und zwar gleich mit einem fiesen Stich aus dem Ort raus. Weiter bergauf, nach einer kurzen Verschnaufpause kam die steilste Rampe (ca. 13 %). Kurz vor KM 120 sah man schon den Mirador del Rio, den höchsten nördlichen Punkt der Etappe. Die Aussicht dort oben ist atemberaubend schön. Heute hingen aber etliche Wolken in den Bergen und versperrten die Aussicht.

Rückweg

Jetzt war jedenfalls der schwerste Teil der Strecke geschafft. Auf dem Rückweg wehte überwiegend kräftiger Wind von hinten. Zunächst erneut eine nicht ungefährliche Abfahrt bis nach Arrieta (wieder mal Meeresniveau), auf einem längeren geraden Stück erreichte ich auch den bisher besten 5-km-Split (65 km/h). Von da an ging es allmählich wieder leicht bergauf bis auf 300 Meter, aber durch den kräftigen Rückenwind rollte dieses Stück ganz gut. Nach einem Kreisel folgte eine fiese kleine Steigung mit Gegenwind. 3 Kilometer später bogen wir auf die fürchterlichste Straße von ganz Lanzarote ab — sehr rauer und stark verwitterter Asphalt, da sind daheim die meisten Feldwege besser — für ca. 5 Kilometer wurden wir enorm durchgeschüttelt. Der Seitenwind machte das Ganze nicht einfacher. Schließlich folgten noch 2 kurze Abfahrten, wo ich bis zu 75 km/h erreichte. Puerto del Carmen lag nun vor uns.

Laufstrecke

Nach 3 Kilometern Fahrt entlang der Strandpromenade, sah man schon einige durchgeschwitzte Läufer. Für mich ging’s es aber erst durch die ewig lange Wechselzone. Ich schnappte mir den 2. Wechselbeutel, lief ins Zelt, wechselte die Schuhe und ließ mir ein 2tes Mal Sonnencreme auftragen.

Nach einem Kilometer fand ich mein Tempo (5 Min/km) und hielt das Tempo bis Kilometer 21 konstant durch. Dann reduzierte ich bewusst auf ca. 5.30 Min/Km , legte 2 kurze Gehpausen an den Getränkestationen ein, lief dann zügig weiter in Richtung Ziel und wurde mit viel Applaus empfangen. Ich war so gerührt, dass mir die Tränen kamen. Als ich schließlich das Ergebnis erfuhr und mir klar wurde, dass ich mein Ziel "Hawaiiqualifikation" geschafft hatte, konnte ich einen lauten Aufschrei nicht mehr unterdrücken. Das war der schönste Moment während des gesamten Wettkampfs.

Zusammenfassung

Die Radstrecken, Windverhältnisse, Besonderheiten bei den Abfahrten, Kurven, Straßenbelag, Laufstrecke mit starken Gegenwind, etc. konnten wir 2 Wochen lang intensiv testen. Die Wattleistungen lagen meist zwischen 200 und 240 Watt, im Schnitt nach 180 Kilometern zeigte der Computer ziemlich genau meine angepeilten 200 Watt an. Die anaeroben Spitzen waren selten und wenn dann nur sehr kurz, so dass eine Übersäuerung niemals eintreten konnte. So war auch die Stimmung die ganze Zeit bis zum Ende fast immer super gut (bis auf die letzten 10 km).

Mit 11:37 Std und einem Abstand von über einer Stunde zum 2. Platzierten bin ich sehr zufrieden und darf mich im Oktober mit den Weltbesten der Ironmanszene in Hawaii an den Start stellen. Nichtsdestotrotz: Es war ein unvergleichlicher Wettkampf. Und abgesehen davon, dass die Bedingungen hier sehr hart sind, ist die Radstrecke wunderschön! Das Rennen ist zudem Top organisiert, die Helfer alle sehr freundlich und hilfsbereit, die Aid Stations super, die Bevölkerung feuert überall an und es ist ein tolles Gefühl zu dieser Gemeinschaft der Verrückten zu gehören.